Flammenblumen aus dem Osten

Флоксы с Востока. Кристиан Кресс садовник, владелец питомника Sarastro-Stauden in Ort. Статья в немецком издании «Gartenpraxis» № 10, 2014 г.

Während in den Phlox-Sortimenten Mitteleuropas noch immer knallige
Farben vorherrschen, scheinen in Russland die Geschmäcker in
eine andere Richtung zu tendieren. Die Gartenliebhaber bevorzugen
dort überwiegend rauchige und stumpfe Blütenfarben. Doch diese
Sorten besitzen zweifellos große Reize und deren Farben üben unweigerlich
einen magischen Zauber aus. Text und Fotos: Christian Kreß

Schon relativ früh setzten sich in Deutschland Pfitzer, Schöllhammer und Ernst mit der Züchtung von Phlox paniculata auseinander. Die Popularität und Sortenvielfalt des Hohen Garten-Phloxes nahm aber erst zu Zeiten Karl Foersters, etwa ab 1935, beträchtlich zu. Originelle Namen wie ‘Wennschondennschon’, ‘Nachbars Neid’, ‘Düsterlohe’ oder ‘Monte Cristallo ‘ sind heute noch bei Liebhabern begehrte Sorten. Aber im Vergleich Flammenblumen, die derzeit im Handel dominieren, rangieren diese alten Sorten heutzutage unter ferner liefen. Obgleich in Sachen Züchtung und Selektion gerade in Westeuropa große Erfolge zu verzeichnen waren und noch immer gute Sorten gefunden werden, schlägt sich dies wenig auf die Vielfalt in den Gartencentern nieder.

Dabei ist der Hohe Stauden-Phlox noch immer ein Hauptumsatzbringer und es ist völlig unverständlich, warum sich ein Phlox-Sortiment lediglich aus „Rot», ,,Rosa «, ,,Weiß » und „Violett» zusammensetzen muss. Selbst in Staudengärtnereien, die ein breiteres Sortiment anbieten, dominieren immer häufiger Selektionen aus England und Holland, welche bei Weitem nicht in allen Teilen Mitteleuropas gesund und widerstandsfähig sind. Viele gute Foerster-Sorten sind leider ganz verschwunden oder man findet sie nur noch bei Sammlern. Mit der Phlox-Züchtung beschäftigen sich in West- und Mitteleuropa — wenn überhaupt noch — ein schwaches Dutzend Personen.

Ganz anders in Russland: Die Züch tungsarbeit von Phlox hat auch hier eine lange Tradition. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts besaß der Botaniker Eduard Regel in St. Petersburg eine Sammlung von etwa 300 Sorten. Später, ab etwa 1930, kam dann Pavel Gaganov hinzu. Er lebte in der Nähe von Moskau und war einer der großen Wegbereiter der dortigen Phlox-Züchtung. Bedingt durch die guten Böden im streng kontinentalen Klima war man gefordert, neue Sorten hervorzubringen. Auch mussten Auslesen gewonnen werden, welche noch in den entfernteren Landesteilen der damaligen UdSSR zufriedenstellend gediehen. Für viele andere Stauden waren das Klima zu rau, die Sommer zu kurz und zu heiß. Eigentlich alles keine guten Voraussetzungen für Phlox, möchte man glauben. Durch die gezielte Einekreuzung von Phlox glaberrima, P. pilosa, P. sibirica, P. maculata und später P. amplifolia wurden Sorten geschaffen, die wesentlich klimaangepasster waren. Daher sollte man eigentlich von Phlox-paniculata-Hybriden sprechen, wenn der Hohe Srauden-Phlox gemeint ist.

Pavel Gaganovs Buch „ Staudenphlox» aus dem Jahre 1961 gibt einen hervorragenden Einblick in seine akribische Züchtungsarbeit. Kürzlich konnte ich Einsicht in eines seiner Zuchtbücher nehmen, die Aufzeichnungen erfolgten über viele Jahre. Gaganov hatte auch etliche Sorten westlicher Provenienz, die ihm halfen, sein Farbspektrum auszuweiten. Zu seinen berühmtesten Errungenschaften zählt neben Sorten wie ‘Oljenka’ (5), ‘Anja Gaganova’ (1) und ‘Uralskie Skazy’ (2) auch ‘Uspech’, eine der ganz wenigen bei uns verbreiteten Auslesen.

Durch die langen russischen Winter sehnte man sich in der Vegetationszeit sicherlich nach kräftigen Farben, man war aber auch offen für Coleure, welche offenbar die Seele ihrer Bewohner und Gartenbesitzer widerspiegelten. Die Kombination von mystischen, rauchigen Farben, das Wechselspiel von vergehendem Flor mit aufblühendem Leben an ein und demselben Blütenstand, malerische Pastelltöne, Farben von Umbra bis Lavendelblau, Graublau, kombiniert mit rotem Violett. Oder Rosa mit einem Perlmuttschimmer überzogen! Die einen Sorten zeigen sehr klare Botschaften, andere verschließen sich ihrem Betrachter, ohne dass es dort irgendwen stört, ob sich dazwischen vielleicht eine Blüte mal heller oder dunkler zeigt. Viele der Sorten werden in Russland «Smoked Phlox» genannt, also «Rauchphlox». Und etliche Sorten bekamen, russische Frauennamen, aber auch von Künstlern wie Schauspieler und Maler.

In den vergangenen 60 Jahren sind Aberhunderte an Sorten selektiert worden. Eine kleine Ahnung bekommt man davon im Phloxbuch von Hermann Fuchs, wo einiges an älteren Sorten aufgelistet ist, die in Russland entstanden. Die allermeisten von ihnen existieren sogar noch . Im Gegensatz zu uns, wo eine Neuheit meist eine Verbesserung darstellen soll und ältere Sorten im laufe der Zeit mehr oder weniger von der Bildfläche verschwinden, werden in Russland die Phlox-Sortimente auf privatem Sektor gehortet, gesammelt und untereinander getauscht, wobei es durchaus auch Gärtnereien gibt, die ein schmales Sortiment alter und neuerer Sorten vermehren. Etliche alte Sorten sind nach wie vor in Nationalkollektionen einiger botanischer Gärten zu finden. Und die Anzahl an Hobbyzüchtern ist enorm, in jeder größeren Stadt beschäftigt sich irgendjemand mit Phlox. Die Liebhaberei hat dabei einen fast schon musealen Charakter. In Vorgärten auf dem Land und in städtischen Parks — allerorts sind sie zu bewundern. So wurde mit den Jahren der Phlox zwangsläufig zu einer Art Nationalblume Russlands, obgleich seine Wildherkunft eigentlich in den Vereinigten Staaten zu finden ist.

Flammen und Rauch

Ein Paradebeispiel einer ausgefallenen Farbkombination ist ‘Drakon’ (3) von Gaganov aus dem Jahre 1958, die in Russland sehr beliebt ist. Das Violettrot ist schwer beschreibbar, ein breites, dunkles Auge mit fließendem , hellem Rand. Im Verblühen werden die Blüten aschgrau. Einen ähnlichen Charakter besitzt ‘Perun’ (4) von Oksana Kudrjavceva, einer sehr erfolgreichen Züchterin aus der Nähe von St. Petersburg. Diese noch junge Sorte wird nur 80cm hoch und macht durch ihren „Grauschleier» einen etwas verwaschenen Eindruck. Wie bei vielen anderen Phloxsorten kommt diese Farbe besonders an den langen, nordischen Abenden wunderbar zur Geltung.

Eine weitere außergewöhnliche Sorte ist ‘Anna Karenina’ (2003 ; 6) von Elena Konstantinova, die derzeit wohl bekannteste Phlox-Züchterin Russlands. Die stumpfroten Blüten überzieht ein leichter lila Schimmer. In Kombination mit Gräsern und anderen Phloxen ein absoluter Traum. Oder auch ‘Sekret’, deren treffender Name für eine geradezu unbeschreibbare, verwaschen perlmuttrosa Blütenfarbe steht. Auch diese Sorte ist in Russland sehr verbreitet und entstammt der Züchterhand von Jury Reprev aus Moskau, welcherin den 1980-/1990er-Jahren viele dieser farblich für uns ungewöhnlichen Selektionen hervorbrachte. Bei ‘Rumjani’ (7) von Krasnikov verschwimmt die rosa Blütenfarbe nach der Blütenmitte hin zu einem großen, roten Auge. ‘Mister X’ (8) ist eine neue Kreation von Elena Konstantinova, deren tiefes Violett mit Braunrat gekoppelt ist, wobei die Sorte im Aufblühen einen gänzlich anderen Charakter aufweist als zu einem späteren Zeitpunkt.

Aber nicht nur Rauchphloxe sind in Russland präsent, sondern auch klare Farben, die von Orange bis ins tiefe Violett reichen. Besonders beliebt sind Fliederfarben und Blautöne in allen Varianten. Beiuns lässt die alte ‘Gräfin von Schwerin’ grüßen, in Russland existieren etliche solcher bläulichen Sorten, die ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes, rotes Auge aufweisen : ‘Zoluschka’ (10), ‘Goluboi Dym’ (14), ‘Magia’ (11), ‘Margri’ (12), ‘Gzhel’ (13), nur um ein paar zu nennen.

In Russland wird aber nicht nur nach Farbe selektiert, sondern auch Gesundheit, Blütengröße sowie Standfestigkeit und Höhe spielen eine Rolle. Schon zu Gaganovs Zeiten wurde auf sogenannte Bordürenphloxe ausgelesen, die sich dank niederer Höhe als Einfassungspflanze eignen. Ein gelungenes Beispiel sah ich in der unglaublich reichblühenden, hellblauen , rot geäugten Sorte ‘Gusarskaja Ballada’. Gegenwärtig sind eher wieder lockere Blütendolden gefragt, mir fielen aber auch solche mit extrem dichten Kuppeln auf, wie bei ‘Rubinovaja Kaplja’ (15). Oder Blüten mit propellerartigen Einzelblüten. Manche Selektionen beeindruckten durch riesige, straußartige Blütenrispen, die über 50 cm breit waren und vor Kraft und Gesundheit nur so strotzten. Ein solches Beispiel ist der schlohweiße ‘Archangel’ von Oksana Kudrjavceva. Nie zuvor sah ich ei nen imposanteren Phlox! Oder eine überaus gesunde und hohe, bisher noch nicht benannte Sorte mit 180cm Höhe, die bis unten hin gesunde Blätter aufwies und mich auch sehr beeindruckte. In der Größe der Einzelblüten fällt besonders die rot geäugte ‘Rozovaja Skaska’ auf; hier misst die Blütengröße viereinhalb Zentimeter, bei der lila ‘Kuraf’ über fünf Zentimeter, ebenfallsdie Blüten der hellrosa ‘Ksenija’ (16).

Ob diese Sorten jemals in den Gärten Mitteleuropas Einzug halten werden und verstärkt für Furore sorgen, wissen wir nicht. Ob sie sich bei uns als dauerhaft gesund und vital erweisen oder anfällig sind, muss sich erst noch zeigen . Viele russische Sorten wurden früher in Gärten jenseits des Urals gesandt, ja bis ins ferne Ostsibirien. Darum kann es durchaus sein, dass zumindest einige dieser Traumsorten auch im Wiener Becken oder im trockenen Südwesten Deutschlands zufriedenstellend gedeihen. Reizvolle Farbnuancen sorgen für neuartige, wundersame Kombinationsmöglichkeiten: Phlox kann viel mehr als nur eine Bauerngartenstaude sein.

Gp-Verweis
Husted Bendtsen, Birgitte: Berühmte
Phlox-Züchter (1) und (II). Gp Nr.
6/2012, S.12 und Gp Nr. 7/2012, S. 14.

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Добавлено rozovodik 22 февраля 2024