Gibt es den blauen Phlox?

Существует ли синий флокс? Кристиан Кресс садовник, владелец питомника Sarastro-Stauden in Ort. Статья в немецком издании «Gartenpraxis» № 12, 2017 г.

Blau ist im Staudensortiment zwar nicht ganz außergewöhnlich,
doch besitzt die Blütenfarbe zweifellos etwas Besonderes. Immer
mehr Sorten der Hohen Flammenblumen werden als „blaublühend“
beschrieben. Doch stimmt das eigentlich? Text und Fotos: Christian Kreß

Haben Sie schon mal was von der Blauen Stunde gehört? So wird die Zeit nach dem Sonnenuntergang genannt, jenes schummrige Zwielicht, bei dem der Himmel in die Dämmerungsphase übergeht und einige Farben ihren mystischen Höhepunkt erreichen. Zu dieser Zeit präsentieren sich auch alle blauen und violetten Phloxe farblich von ihrer schönsten Seite. Doch welche Sorte besitzt in dieser kurzen Zeit den perfektesten Blauton? Und existieren vielleicht sogar Auslesen, die ihre blaue Farbe noch unter gleißender Mittagshitze einigermaßen gut halten?

Mit dem Blau bei Phloxen ist es nämlich so eine Sache. Hellblau, Dunkelblau? Oder etwa Himmelblau, Enzianblau, Kobaltblau? Offen gestanden sind genau diese blauen Farbtöne beim Phlox nicht einmal annähernd vertreten. Sogenannte blaue Phloxe besitzen höchstens ein „Gärtnerblau“, denn stets tendieren ihre Farben in Richtung Purpur, Violett oder Lila. Manche besitzen einen hellrosa Schimmer, andere sind herrlich blau-weiß strichliert oder haben sogar
geflammte Blüten. Einige Sorten fallen dagegen durch ihr ausgeprägtes rötliches oder weißes Auge auf. Viele der sogenannten blauen Sorten begeistern Gartenbesucher zumindest zur Blauen Stunde, über den Tag sind ihre Farben bestenfalls bei trübem Wetter schön. Konsequenterweise sollten wir von bläulichen Phloxen mit purpurvioletten, bläulich-violetten oder violetten Blüten sprechen. Außerdem ist „Blau“ nicht alles. Ausgerechnet die als blaueste geltenden Sorten neigen oftmals zu viel zu kurzer Blütezeit, haben keine standfesten Stängel oder lockere „Stutzen“, wie die Blütenkuppeln in Bayern genannt werden.

Scheinbar viel Blau

Ziehen wir einmal Bilanz zu dem, was uns bislang zur Verfügung steht: Das ist schon eine ganze Menge. Leider gibt es davon nur wenige im Sortiment der Staudengärtnereien und Gartencenter. Bläuliche Phloxe üben im Gegensatz zu all den anderen Flammenblumenfarben auf Betrachter einen unwiderstehlichen Zauber aus. Sie schreien und brüllen nämlich nicht. Andererseits sind sie zur Blütezeit in jeder Pflanzung omnipräsent. Sie sind auch nicht etwa blass, bescheiden oder zart in ihrem Wesen, denn sie verbreiten stets etwas Geheimnisvolles! Bläuliche Phloxe haben auch nichts mit den altgedienten Bauerngartenstauden zu tun, die man an den Staketenzaun pflanzt.

Blaublütig bedeutet nebenbei bemerkt auch nicht wirklich edler. Denn nur wenige Sorten könnten in eine Art Adelsstand
gehoben werden: Gegenüber vielen anderen historischen und neuen Phloxen, die vor Vitalität und Wüchsigkeit nur so strotzen, sind etliche blaue Sorten schwachwüchsig oder bilden nur schüttere Horste. Bekanntlich benehmen sich viele
Phloxe ausgesprochen zickig, denn wenn eine Sorte in einem Garten gut gedeiht, heißt das noch lange nicht, dass diese bei jemand anderem im nur wenige Kilometer entfernten Garten ebenfalls willig wächst. Die Bodenstruktur ist anders, der pH-Wert ist unterschiedlich, der eine Gartenbesitzer düngt, der andere nicht. Aber von nichts kommt bekanntlich
nichts! Dass der Phlox ein Fresser und ein Säufer ist, sollte sich spätestens seit Karl Foersters Zeiten herumgesprochen haben.

Blaues (Wild-)Blut

Fangen wir beim „Urphlox“ an. Ich bekam über Umwege zwei Wildherkünfte aus den USA, die irgendwo in den Weiten
des Mississippi-Tals gesammelt wurden. Sie sind relativ gesund und weisen mit ihren lockeren Rispen ein trübes Lavendelblau auf. Andere Herkünfte tendieren in Richtung Rosalila bis hin zu reinem Weiß. Mit Wildherkünften wurde viel experimentiert. So entstanden mit den Jahren eine ganze Menge an Sorten, die einen eigenen Charme besitzen und wenig mit den großblumigen Gartensorten zu tun haben. Auch existieren einige Sorten mit Wildcharakter. Ich denke hierbei vor allem an ‘Hesperis‘, ‘Cool Best‘ und ‘Luc’s Lilac‘ (5) von Coen Jansen, die ebenfalls einen gewissen Blauanteil aufweisen. Diese entstanden aus spontanen Kreuzungen von Phlox × arendsii mit alten Sorten wie ‘Violetta Gloriosa‘ (31) und anderen. Es ist ohnehin angebracht, von Phlox-Hybriden zu sprechen, denn in den seltensten Fällen haben wir es noch mit reinen Phlox-paniculata— Abkömmlingen zu tun.

Von Johann Etzinger, einem Kollegen und Freund, stammt ‘Jana‘ (3), benannt nach seiner Tochter. Diese Auslese weist
ebenfalls einen gehörigen Anteil „Wildblut“ auf, die Blütenfarbe der propellerartig gedrehten Blüten tendiert in Richtung
Violettblau. ‘Jana‘ ist gesund und wüchsig, eine ideale Sorte für naturnahe Pflanzungen, da sie schnell dichte Horste bildet. Sie neigt außerdem zur Selbstaussaat, wobei die Nachkommen sehr unterschiedliche Blautöne aufweisen. Dies könnte man je nach Situation als Vor- oder Nachteil ansehen. Auf alle Fälle entstand durch eine dieser Selbstaussaaten die Sorte ‘Donau‘ (9), ebenfalls von Johann Etzinger selektiert. Ihr prophezeie ich eine große Zukunft, denn ‘Donau‘ behält ihre unvergleichliche schieferblaue Farbe über den ganzen Tag hinweg, auch unter Mittagshitze und gleißendem Sonnenschein. Diese Sorte weist ein kleines, dunkelviolettes Auge auf, sie ist wüchsig, sehr gesund und vital, wird dabei nur etwa 80 cm hoch. Die mittelfrühen Blütenrispen sind außerdem dicht und wohl geformt. Nach Abschneiden der verblühten Rispen erfolgt ein zweiter Flor im Herbst, der allerdings längst nicht mehr so ausgeprägt ist wie die Hauptblüte.

Eine sehr robuste, bis zu 140 cm hohe, lilablaue Sorte ist ‘Fliederenzian‘ (2). Sie wurde von Klaus Oetjen in den späten 1980er-Jahren selektiert und fand ihren Ursprung in der Sortiments- und Versuchsgärtnerei Simon in Marktheidenfeld, aus selektierten Nachkommen von Wildmaterial, das von Hermann Fuchs stammte. Diese leicht erkenntliche, hohe Sorte besitzt mit ihren lockeren Blütenrispen und den an Sternchen erinnernden Blüten ebenfalls viel Wildcharakter. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass ‘Fliederenzian‘ in Westeuropa kaum Verbreitung fand, jedoch in Russland populär wurde und dort nahezu in keiner Sammlung fehlt. Sie sollte unbedingt wieder stärker in Betracht gezogen werden, besitzen wir doch mit ihr eine gesunde Hintergrundsorte.

Blaues Paradies

Bei dieser Zusammenstellung darf die am meisten angebotene, dunkelviolettblau blühende Sorte natürlich nicht fehlen: ‘Blue Paradise‘ (4). Sie wurde 1993 in Holland von Piet Oudolf aus einem Sämlingsbestand einer Schnittblumengärtnerei ausgelesen. Die dunkelviolettblaue Farbe ist wirklich bestechend, besonders abends zeigt sie ihren unvergleichlichen Charme. Die relativ großen Einzelblüten besitzen ein kleines purpurviolettes Auge. An vielen Orten zählt diese Sorte jedoch nicht zu den standfestesten, sie besitzt meist dünne Stängel und muss daher gestützt werden. Außerdem bildet sie selten dichte Horste, so wie man es sich von einem Phlox wünscht. Aber dies nimmt man bei diesem sensationellen Farbton offenbar gerne in Kauf. Ebenfalls von Piet Oudolf stammt ‘Blue Evening‘ (8), dessen helllila Blüten eine helle Mitte aufweisen.

Wenige Zeit später selektierte der bekannte Phloxzüchter Peter zur Linden die Sorte ‘Blauer Morgen‘ (7). Sie besitzt nahezu denselben Blauton wie ‘Blue Paradise‘ und hat ebenfalls ein ausgeprägtes Auge. Selbst ausgewiesene Phloxkenner
sehen kaum einen Unterschied zwischen beiden Sorten. Es wird behauptet, dass das Auge von ‘Blauer Morgen‘ noch ausgeprägter erscheint. Hier stehen sie zwar nicht unmittelbar nebeneinander, aber letztere scheint mir doch stabilere Stängel zu haben und etwas standfester zu sein.

Überzeugend gute, blaue Farben bringen die beiden Sorten des britischen Phloxzüchters B. Symons-Jeune hervor: ‘Cool in the Evening‘ sowie ‘Bonnie Maid‘ (1962), zumindest abends in der Dämmerung. Tagsüber zeigen sich deren Blüten eher in einem hellen Rosalila.

Viel Neues im Osten

Der russische Phloxzüchter Pavel Gaganov selektierte schon ab den späten 1930er- Jahren eine Menge herausragender Phloxe. Viele seiner unzähligen Sorten sind auch heute noch unübertroffen, denken wir nur an ‘Olen‘ka‘, ‘Uspekh‘ (auch Uspech = Erfolg) oder ‘Urals’kie Skazy‘ (= Märchen aus dem Ural). Er stand damals mit Karl Foerster in enger Verbindung, ein reger Gedankenaustausch war die Folge: Zwei erfolgreiche Staudenzüchter profitierten voneinander. Karl Foerster hatte Pavel Gaganov eines Tages sogar auf seinem Landsitz südlich von Moskau besucht und ihm eine Laute als Gastgeschenk mitgebracht, da Pavel Gaganov ganz nebenbei ein begeisterter Musiker war. Er benannte sogar eine seiner Phlox-Sorten ‘Karl Foerster‘, die ein unverkennbares, tiefes Lila besitzt, die Röhren weisen ein Purpurviolett
auf, so sticht diese Sorte farblich sehr aus dem Sortiment hervor. Allerdings hat sie sich hier zu meinem Leidwesen als schlechter Wachser herausgestellt und ist schon nach kurzer Zeit eingegangen.

Unter Pavel Gaganovs Phloxzüchtungen befinden sich auch einige blaublühende, wobei ‘Tajna‘ (6) mit ihrem tiefen Purpurviolett auch heute noch zu den dunkelsten im gesamten Phloxsortiment zählt. Diese bemerkenswerte Sorte stach mir schon bei meinem ersten Besuch auf der Phloxaustellung in Sankt Petersburg ins Auge. Auffällig ist zudem die hellviolette, weiß geäugte ‘Fiosin‘ (11), die sich in den Abendstunden in ein leuchtendes Hellblau umfärbt, ebenfalls von Pavel Gaganov. Diese hat sich hier als total gesund und sehr wüchsig erwiesen.

Die derzeit bekannteste, russische Phloxzüchterin ist die Gartendesignerin Elena Konstantinova. Sie veröffentlichte einige Bücher und Publikationen über Phlox. Ihr kritisches Auge und ihr Sinn für ganz besondere Farbkombinationen
machten sie so bekannt und erfolgreich. Elena selektiert bereits seit Jahren Phloxe und brachte im Laufe der Zeit über 200 (!) eigene Sorten in Umlauf, wovon inzwischen einige hohe Auszeichnungen bekamen und weit verbreitet wurden. Aus dem Jahr 1986 stammt ‘Magija‘ (= Magie), eine blauviolette Sorte mit einem dunkelpurpurnen Auge. Ganz besonders abends in der Dämmerung läuft diese Sorte zur Hochform auf. Sie zählt zu jenen blauen Sorten mit der besten Fernwirkung. Viele Sorten von Elena besit-zen einen hohen Blauanteil, wenngleich man auch diese nicht immer zu den reinblauen oder blauvioletten Auslesen zählen darf. Trotzdem sollen sie hier nicht unerwähnt bleiben, da einige ihrer herrlichen Sorten züchterisch zu großen Erfolgsstories wurden. So wird ‘Gzhel‘ (10) stets zu meinen ganz großen Lieblingen zählen, hier spielen die strichlierten Blüten zwischen Weiß und Lilablau. Kennzeichnend sind das ständig wechselnde Farbenspiel der Blüten sowie das dunkelblaue Auge. Bei kühlem Wetter kommt das Blau in der Blüte noch wesentlich intensiver zum Tragen. Diese einzigartige Sorte wurde von Elena nach der gleichnamigen Stadt nordöstlich von Moskau benannt, in der bläuliches Porzellan hergestellt wird.

Hellblaue Wolken

Sehr ähnlich ist ‘Oblako‘ (13; Wolke), die ebenfalls von Elena Konstantinova stammt. Hier sind die Blütenränder dunkler
blau ausgeprägt, die weißen Blüten sind von einem zauberhaften Lilablau überzogen. Auf Konstantinovas weitläufigen
Selektionsfeldern wird nach strengen Kriterien geurteilt. Nur wenige Sämlinge schaffen es, in die engere Auswahl zu gelangen. Weitere Sorten von ihr sind ‘Nezabudka’ („Vergissmeinnicht“) und die dunkelnachtblaue ‘Notch Neza‘. ‘Kobalt‘, ebenfalls eine vielversprechende Züchtung, wurde in verschiedenen Gärten Russlands getestet, mit dem Ergebnis, dass die Blütenköpfe in den meisten Fällen nur schwach ausgeprägt sind und sich die Farbe bei intensiver Sonneneinstrahlung zerstört, also fleckig wird – eine Eigenschaft, die bei vielen bläulichen Sorten auftritt. Höhepunkte ihrer Züchtungen in bläulichen Farben sind unter anderem ‘Vetschernaja‘ (14; „Abendstimmung“) – eine kleinblumige, graublaue Sorte mit dichten, vielblütigen Blütenkuppeln, deren Einzelblüten ein rötliches Auge aufweisen –, die bläuliche ‘Svetljachok‘ (16) und die traumhafte ‘Mazu Notschi‘. Deren satte, dunkelpurpurblaue Blütenfarbe erscheint mir bislang unerreicht. Auch ‘Igor Talkov‘ (15), eine ältere Sorte von Elena, gibt eine gute Figur ab: Besonders in den Morgen- und Abendstunden fallen ihre großen, violettblauen Blüten auf. Leider wird es noch einige Zeit dauern, bis diese Sorten bei uns verfügbar sind.

Jury Reprev zählt neben Gaganov und Konstantinova zu den bekanntesten russischen Phloxzüchtern. Wie schon erwähnt, sind Sorten mit blauen Farbtönen nicht immer so gesund, standfest und wüchsig, wie wir uns dies vorstellen. Doch mit ‘Gordost‘ Rossii‘ (17; „Stolz von Russland“) brachte er eine unverkennbare Zukunftssorte heraus, die in punkto Wüchsigkeit den allgemeinen Rahmen sprengt. Dicke, straffe Stängel tragen breite Blütenrispen, die über den Tag tiefviolett erscheinen, sich jedoch zu Zeiten der Dämmerung in ein traumhaftes Blau verwandeln. ‘Gordost‘ Rossii‘, selektiert im Jahre 2010, wird über 120 cm hoch.

Schwestern aus Ost und West

Zwei Sorten, die sich in ihrer Farbkonstellation sehr ähneln, aber aus völlig unterschiedlichen Herkünften stammen, sind ‘Goluboj Dym‘ (18) und ‘Gräfin von Schwerin‘ (19). Erst nebeneinander offenbaren sich ihre Qualitäten und Unterschiede. ‘Goluboj Dym‘ wurde 1966 von N. Krasnova selektiert und besitzt kleinere, rundliche, blass purpurblaue Blüten, die zur Mitte hin dunkler werden. In manchen Gärten hat sich diese reizende Sorte allerdings als schlechter
Wachser erwiesen. Das Gleiche wird von ‘Gräfin von Schwerin‘ behauptet, einer historischen Sorte, die von M. Buchner um 1910 ausgelesen wurde und noch in vielen Sammlungen und Gärten zu finden ist. Hier im nahegelegenen Salzkammergut ist diese prächtige Sorte in einigen Gärten in ihrer vollen Üppigkeit zu bewundern, keine Spur irgendwelcher Wachstumsdepressionen. Auch bei uns zeigt sich die blassviolette ‘Gräfin von Schwerin‘ mit ihrem rötlichen Auge als ausgezeichnete Sorte, die sehr schnell guten Zuwachs erfährt, sich leicht vermehren lässt und durch ihre dicken, gesunden Stängel positiv aus dem Rahmen fällt. Eine weitere hellblaue, rötlich geäugte Sorte ist auch ‘Zolushka‘ (20; „Aschenputtel“). Sie stammt aus Russland und gehört dort längst zum Standardsortiment. Hier handelt es sich um einen sogenannten Bordürenphlox, der nicht höher als 60 cm wird und gerne als Beeteinfassung verwendet wird. Unschwer kann man erkennen, dass hier der Züchter (Kvasnikov 1949) Phlox divaricata miteinbezog. Es hat sich aber herausgestellt, dass diese Sorte mit unvergleichlichem Charme mancherorts schwächelt. Eine weitere, aus dem ganzen Phloxsortiment herausragende Sorte ist ‘Margri‘ (12; Scharokova 1950), die meiner Meinung nach trotz ihres Alters immer noch unübertroffen scheint. Sie passt zwar nicht unmittelbar zu unserem blaublütigen Thema, doch bei keiner anderen Sorte tritt der Kontrast zwischen den bläulichen Blüten, den rötlichen Blütenblatträndern und dem dunklen Auge so deutlich zutage.

Noch mehr blaue Sorten aus Russland

Hellblau mit verschwimmendem Weißanteil oder auch Dunkelblau mit deutlichem, hellem Stern in der Blütenmitte? Alles ist möglich, vieles ist vorhanden! Kommt nur noch darauf an, wie sich der Blauanteil tagsüber präsentiert. Besonders unter den hellblauen Sorten gibt es eine ganze Menge, die es wert ist, im Garten verwendet zu werden. Als Beispiel möchte ich nur die russische Sorte ‘Lunnyj Kamen‘ (21; Kireeva 1970) anführen, deren große, lilablauen, weiß geäugten, flachen Blüten besonders in den Abendstunden ihre Strahlkraft zeigen. Die Wüchsigkeit und die dichten Horste machen sie auch hierzulande wertvoll. In Hellblau mit dunkelvioletten Knospen sind einige Sorten prominent vertreten. Sie treten zunächst still auf, bei näherem Betrachten üben sie jedoch einen unwiderstehlichen Zauber aus. In
Kombination mit strengeren Farben kommen diese Sorten erst richtig zur Geltung. Eine der ganz großen Stars dieser Farbgruppe ist ‘Zhukovskij‘ (22; auch ‘Schukovski’). Der Kontrast zwischen dem hellen Eisblau und den dunklen, rötlich violetten Röhren und Knospen ist nur bei ganz wenigen Sorten derart wundervoll ausgeprägt. Einziges Manko sind die manchmal etwas zu schwachen Stiele. Auf den ersten Blick ähnlich ist auch die schon ältere ‘Novinka‘ (25) aus der Ukraine (Hartschenko, 1952), das Eisblau offenbart sich besonders in den Morgenstunden. ‘Tschaika‘ (23; E. Konstantinova) mit hellblauen Blüten und dunkellila Auge besitzt ähnlichen Charakter, weist aber einen etwas zierlicheren Habitus auf. Wie bei den meisten hellblauen Sorten zeigt sich die Farbausprägung wesentlich intensiver bei einer etwaigen Nachblüte im Herbst, wenn die Nächte kühler werden.

Zweifarbige, also hell geäugte Sorten mit der Grundfarbe Violett oder Purpurviolett fänden sich einige, man denke nur an ‘Uspekh‘ (‘Uspech’) oder ‘Wilhelm Kesselring’. Diese zu beschreiben würde allerdings den Artikel sprengen, außerdem überwiegt hier der Purpur- und Violettanteil. Das züchterisch äußerst auffällige Resultat von R. E. Zorina sollte dennoch Erwähnung finden, bei ihr entstand ‘Dyhanie Arktiki‘ (24; „Hauch der Arktis“), eine russische Sorte aus dem Jahre 2002. Bei kaum einem anderen Phlox ist das weiße Auge derart ausgeprägt, die dunkellila Grundfarbe wurde auf den Randbereich reduziert. Dichte Blütenkuppeln und ein niederer Wuchs tragen zum gefälligen Äußeren dieser schönen Sorte bei. Ähnlich, wenngleich nicht ganz so auffällig, tritt übrigens die geschützte holländische Sorte ‘Sweet Summer Fantasy‘ in Erscheinung. Beide sind außergewöhnliche Sorten, die durchaus ihre Liebhaber finden.

Bewährtes Blau(violett)

Unter den Foerster-Sorten sind kaum tief violettblaue Sorten vertreten, dafür allerdings einige hellblaue Sorten. Bekannt
und weit verbreitet wurde ‘Violetta Gloriosa‘ von 1956, deren Merkmale man sich leicht einprägt, wenn man sie einmal gesehen hat. Trotz der hellvioletten Grundfarbe hebt sich das weiße Zentrum deutlich ab. Die Blüten wirken ein wenig propellerartig. Auch die Foerstersche ‘Fliederball‘ (26) soll hier nicht unerwähnt bleiben. In diese hellblaue Gruppe fällt auch die alte ‘Sternhimmel‘ (28) von Schöllhammer/Langenargen aus dem Jahre 1942, die ein helles Lavendelblau aufweist. Und auch ‘Franz Schubert‘ (27) darf gar nicht hoch genug gepriesen werden. Diese in Großbritannien im Jahre 1980 von Alan Bloom selektierte Sorte wird rund 100 cm hoch und besitzt große Einzelblüten in einem ausgeprägten Lavendelblau, die zur Mitte hin heller werden. Die wohlgeformten Rispen und die insgesamt stattliche Erscheinung lassen diese Sorte in jedem Garten zu einem Highlight auflaufen.

Über einen estnischen Pflanzenliebhaber bekam ich vor vielen Jahren ‘Ruotsinpyhtää‘ (32). Nachforschungen ergaben, dass diese schlanke, sehr hohe lilablaue Auslese mit ihren kleinen Blüten nach einem finnischen Dorf benannt wurde. Auch fern ihrer nordeuropäischen Herkunft hat sie sich an unterschiedlichen Plätzen gut bewährt. Frisch gepflanzt in nährstoffreichen Boden sollte sie gelegentlich eine Stütze erfahren, da ihre vielblütigen Rispen leider nicht immer die stabilsten sind und überhängen. ‘Osmo Heikinheimo‘ ist eine weitere verbreitete, finnische Sorte. Die Farbe ihrer runden Blüten kann als Purpurlila bezeichnet werden.

Neues aus Mitteleuropa

Von der Staudengärtnerin Stina Macke wurde eine noch relativ neue Flammenblumensorte namens ‘Marc Ilya‘ (29) selektiert und in den Handel gebracht. Sie besitzt eine interessante Farbkombination, deren lavendelblaue bis violette Blüten mit Weiß spielen. So erscheinen immer wieder Neuheiten von Staudengärtnern, aber insbesondere auch von engagierten Hobbyzüchtern, die ein gutes Auge haben, besondere Farben schätzen und großen Wert auf Dauerhaftigkeit legen. Von Marianne Lüdke aus Berlin stammt unter anderem ‘Mariannes Violett‘ mit ebenfalls hervorragender Fernwirkung. Wie viele ihrer Auslesen ist auch diese sehr gesund und wüchsig – sie versprechen eine gute Entwicklung in der Zukunft.

Christian Wever aus dem Rheinland organisiert seit einigen Jahren den Meerbuscher Pflanzentag. Er ist ein engagierter Pflanzennarr, sein Interessensgebiet ist sehr breit und irgendwann wandte er sich auch den Phloxen zu. Durch einige gezielte Kreuzungen mit Wildaufsammlungen aus den USA entstanden bei ihm einige bemerkenswerte Sorten, die zumindest bei uns einen ganz passablen Eindruck machen. Sie behielten alle ihren wildnishaften Charakter bei, sind dabei kleinblumig geblieben. Allein schon die Namen sind sehr treffend und äußerst originell, was ich für nicht unwichtig erachte. ‘Morgengrauen‘ (33; graublau) und ‘Blaue Urgewalt‘ (violettblau, sehr hoch) sprechen für sich. Dagegen sagte uns ‘Karin E. Walter‘ (30) zunächst nur wenig, aber hier spricht die violettblaue Farbe der relativ großen Einzelblüten Bände! All seine Auslesen sind es wert, dass man sie ausprobiert, wenn sie einmal in größerem Umfang verfügbar sind.

Mit dem ulkigen Namen ‘Chaosfritz‘ (1) entpuppte sich ein Phlox eines liebenswerten Bekannten aus dem oberen Waldviertel Niederösterreichs, seines Zeichens ein grenzenloser Individualist und Freigeist! Und dies drückt sich ganz besonders auch in seinen Phloxauslesen aus. Dieser ähnelt ‘Marc Ilya‘ sehr, doch die violettblauen Blüten sind noch wesentlich größer, die Blütenkuppeln dichter mit Blüten besetzt, sie verändern sich je nach Wetterlage in Richtung Dunkelviolett oder auch entsprechend heller. ‘Chaosfritz‘ zeigt uns auf, was züchterisch und farblich bei Phlox noch alles möglich ist, entweder durch gezielte Selektion oder als Zufallssämling. In mir erweckt die außergewöhnliche Farbkombination vage Erinnerungen an jene fantastische Sorte ‘Aleksej Lenskij‘ (34) von Elena Konstantinova, die mit ihren riesigen, tiefpurpurvioletten, weiß gerandeten Einzelblüten im letzten Sommer auf ihren Selektionsfeldern mir das Blut regelrecht in Wallung brachte. Aber hier scheiden sich die Geister, ob man solche Sorten überhaupt noch zur Gruppe der blaublütigen Phloxe rechnen darf.

Selber selektieren macht glücklich

Sollten Sie tatsächlich blaublütige Phloxe besitzen, die bei Ihnen gut wachsen, dann freuen Sie sich darüber! Falls daraus wiederum spontane Sämlinge entstehen, dann lassen Sie sich überraschen, was aus diesen wird. Denn Sämlinge, die sich durchsetzen, sind meist vitaler und gesünder als ihre Ausgangssorte. Ob sie aber dann in ihrer farblichen und habituellen Ausstattung auch wirklich besser sind als ihre Eltern, bleibt abzuwarten. Üben Sie sich bei Phloxen also in gärtnerischer
Geduld und seien Sie kritisch bei Ihren Neubenennungen. Blaublütige Phloxe erfreuen sich bei den Kunden, Gartengestaltern und Pflanzenverwendern gleichermaßen ungebrochener Beliebtheit. Das Schwierige ist nur, stets die richtigen Sorten für eine passende Verwendung herauszufiltern, denn noch einmal sei betont: Was hierzulande gut ist, versagt an anderen Orten kläglich. Hier gilt es ständig auszuprobieren, denn der Phlox ist und bleibt eine Diva!

Meine Welt der Stauden.
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Christian Kreß. 224 S., 220 Farbf., geb. mit
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Stuttgart, 2017. ISBN 978-3-8001-0834-3

Материал предоставлен Maja с одобрения автора

Добавлено rozovodik 22 февраля 2024